"Was im Folgenden angeprangert wird, ist im Zeitalter der Digitalisierung je nach tatsächlicher Ausgestaltung der kommenden ePrivacy-Verordnung auch für Arztpraxen relevant. Es wäre unangemessen und auch entgegen jeglichen Datenschutzgedankens, wenn private Anbieter (Webhoster, E-Mail-Anbieter und andere) ohne jeglichen Verdachtsgrund wahllos und eigenmächtig den gesamten Datenverkehr jedes Bürgers/ jeder Bürgerin komplett abscannen dürften oder gar von Regierungsseite dazu aufgefordert werden könnten. Das schreit geradezu nach Datenmissbrauch. Die Gesundheitsbranche muss dringend ein wachsames Auge auf das werfen, was hier verabschiedet werden soll." - Birgit Barth von mediageno
Die Bundesregierung tritt nach eigenen Aussagen in den Verhandlungen zur ePrivacy-Verordnung für Verbesserungen des letzten Vorschlags der österreichischen Ratspräsidentschaft ein, wie die Begrenzung der zweckfremden Nutzung von Kommunikationsdaten oder datenschutzfreundliche Voreinstellungen in Browsern.
Einige EU-Regierungen wollen nun aber mit der Einführung der ePrivacy-Verordnung Internetverbindungen, E-Mails und Whatsapp-Nachrichten auf unzulässige Inhalte durchsuchen lassen. Zum Auffinden von „kinderpornografischen“ und „terroristischen“ Inhalten sollen Internetprovider, E-Mail-Anbieter und Anbieter von Messaging-Diensten nach eigenem Ermessen die Internetnutzung und versandte Nachrichten ihrer Kunden verdachtslos und flächendeckend filtern dürfen. Das in der geplanten ePrivacy-Verordnung vorgesehene Telekommunikationsgeheimnis soll insoweit aufgehoben werden. Durch nationale Gesetze könnte die Nachrichtenzensur zudem verpflichtend eingeführt werden.
Scharfe Kritik von Bürgerrechts- und Datenschutzorganisationen
In einem Gespräch auf Einladung des Bundesjustizministeriums am 21.01.2019 in Berlin kritisierten Bürgerrechts- und Datenschutzorganisationen einen solchen Versuch der Prinzipienumkehr scharf. Mit Blick auf übliche Verschlüsselungstechnologie wurden die insbesondere von Großbritannien vorangetriebenen Zensurpläne, mit denen sich am Donnerstag eine Ratsarbeitsgruppe befassen soll, als wirkungslos bezeichnet.
Auch die Ratspläne zur ausufernden Sammlung und Weitergabe von Positions- und Verbindungsdaten durch Telekommunikationsanbieter sowie zur Zulassung einer Durchleuchtung des Surfverhaltens für Werbezwecke (Tracking) werden kritisch gesehen. Stattdessen forderten die Vertreter der Zivilgesellschaft ein Recht auf datenschutzfreundliche Browsereinstellungen, einen besseren Schutz vor Datenklau und Abhören sowie einen zügigen Abschluss der verschleppten ePrivacy-Reform.
Kritik: Gespräche fast ausschließlich mit Wirtschaftsverbänden
Das federführende Wirtschaftsministerium stellte ein baldiges Nachfolgegespräch in Aussicht. Es wurde zuletzt öffentlich vielfach kritisiert, dass bisher fast nur mit Wirtschaftsverbänden über die ePrivacy-Reform gesprochen wurde. Begrüßt wird auch, dass geprüft wird, ob die im Rat eingebrachten Formulierungsvorschläge der Bundesregierung veröffentlicht werden.
Der Wille scheint in der Regierung weiterhin groß zu sein, die ePrivacy-Verordnung zu einem Abschluss zu bringen. Aus Sicht der Verbände ist das überfällig. Dabei ist auf eine bessere Berücksichtigung digitaler Bürgerrechte, wie vom Europäischen Parlament gefordert, zu hoffen.
Teilnehmer am Gespräch waren
Arbeitskreis Vorratsdatenspeicherung, Berufsverband der Datenschutzbeauftragten Deutschlands (BvD) e.V., Deutsche Vereinigung für Datenschutz (DVD) e.V., die Datenschützer Rhein Main, Digitalcourage, Digitale Gesellschaft, Forum InformatikerInnen für Frieden und gesellschaftliche Verantwortung (FIfF) e.V., ISOC.DE, Netzwerk Datenschutzexpertise und Verbraucherzentrale Bundesverband.
(Gemeinsame Pressemitteilung via Deutsche Vereinigung für Datenschutz e.V., 24.01.2019)
Hintergrund
- Aktueller Entwurf einer ePrivacy-Verordnung mit Änderungsvorschlägen des EU-Rats vom 19.10.2018
- Offener Brief von sechzehn Organisationen und Verbänden
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